SS-Hauptsturmführer
* 29. 04,1898 in Mannheim
† 02.06.1945 in Schönenbach
Sohn eines schweizerischen Stukkateurs und späteren Likörfabrikanten
verheiratet u. Vater eines Sohnes u. einer Tochter
1912
In seinen Leistungen eher schwache Schüler, mußte 1912 wegen schlechter Noten in Mathematik und Französisch die Obertertia wiederholen
Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim
1914
freiwilliger im ersten Weltkrieg
Oktober 1916
durch einen Durchschuss des Oberkiefers verletzt
1917
Abitur (in Mannheim)
Medizinstudium an der Universität Heidelberg
1921
deutsche Staatsbürgerschaft
promovierte 1922 mit der Schrift Der Grenzstrang des Sympathicus bei einigen Sauriern
Tätigkeit am Anatomischen Institut der Universität Heidelberg
ab 1930
außerordentlicher Professor am Institut (Universität Heidelberg)
Als einen “parvenühaft arroganten Menschen” beschrieb ihn ein späterer Kollege, der ihn als seinen akademischen Lehrer in Heidelberg erlebt hatte.
September 1932
Eintritt in dem Kampfbund für deutsche Kultur
01. April 1933
Eintritt in die SS (Mitglieds Nu. 100 414)
ab 01. April 1936
ordentlicher Professor u. Direktor des Anatomischen Instituts der Universität Greifswald
01. Mai 1937
Eintritt in die NSDAP (Mitglieds Nu. 4 012 784)
ab 01. Oktober 1938
ordentlicher Professor u. Direktor der Universität Frankfurt
August 1939 bis April 1941
Oberarzt im Heer (Westfeldzug)
1939
kurzzeitig an das Institut für Pharmakologie und Wehrtoxikologie der Militärärztlichen Akademie in Berlin abkommandiert, wo er Versuche mit dem Kampfstoff Senfgas (Lost) durchführte.
ab 01. Oktober 1941
Direktor des Anatomischen Instituts der neugegründeten Reichsuniversität Straßburg
Unmittelbar nach seiner Ankunft in Straßburg 1941 fasste Hirt den Plan, die in seinem Institut vorhandenen Sammlungen zu einem Anatomischen Museum auszubauen. Das war an sich nicht ungewöhnlich. Tier- und Humanpräparate wurden den Medizinern und auch einer allgemeinen Öffentlichkeit bereits seit dem 18. Jahrhundert vorgezeigt. Im frühen 19. Jahrhundert hatten die neu entstehenden anatomischen und pathologischen Institute an den Universitäten begonnen, ebenfalls solche Sammlungen zusammenzustellen. In ihrer Anschaulichkeit dienten sie dem Erwerb und der Vermittlung von Wissen über den gesunden und den kranken Körper. Das in Deutschland bedeutendste Museum dieser Art gründete gegen Ende des 19. Jahrhunderts Rudolf Virchow in der Berliner Charité. Er hatte erkannt, wie viel sich damit für die Breitenwirkung seines Faches erreichen ließ."
09. Februar 1942
Brief Sievers mit dem vorläufigen Bericht Hirts an Brandt
„Nahezu von allen Rassen und Völkern sind umfangreiche Schädelsammlungen vorhanden. Nur von den Juden stehen der Wissenschaft so wenig Schädel zur Verfügung, daß ihre Bearbeitung keine gesicherten Ergebnisse zuläßt. Der Krieg im Osten bietet uns jetzt die Gelegenheit, diesem Mangel abzuhelfen. In den jüdisch-bolschewistischen Kommissaren, die ein widerliches, aber charakteristisches Untermenschentum verkörpern, haben wir die Möglichkeit, ein greifbares wissenschaftliches Dokument zu erwerben, indem wir ihre Schädel sichern. Der zur Sicherstellung des Materials Beauftragte hat eine vorher festgelegte Reihe photographischer Aufnahmen und anthropologischer Messungen zu machen und, soweit möglich, Herkunft, Geburtsdaten und andere Personalangaben festzustellen. Nach dem danach herbeigeführten Tode des Juden, dessen Kopf nicht verletzt werden darf, trennt er den Kopf vom Rumpf und sendet ihn in eine Konservierungsflüssigkeit gebettet in eigens zu diesem Zwecke geschaffenen und gut verschließbaren Blechbehältern zum Bestimmungsort.“
ab 01. März 1942
gehörte er dem Persönlichen Stab Reichsführer-SS an
November 1942
Hirt beginnt gemeinsam mit dem Luftwaffenarzt Karl Wimmer und dem Anatomen Anton Kiesselbach mit den Menschenversuchen im KZ Natzweiler-Struthof.
Aussage des ehemaligen Kapos Ferdinand Holl
Unter Aufsicht Hirts brachte Karl Wimmer den flüssigen Kampfstoff auf die Unterarme der Häftlinge auf, nach zehn Stunden traten an den Körpern Brandwunden auf, die Häftlinge erlitten starke Schmerzen, einige erblindeten. Die Wunden wurden täglich photographisch dokumentiert. Nach fünf oder sechs Tagen starb der erste Häftling, ihm folgten sieben weitere. Die zerstörten inneren Organe der Toten wurden entnommen und untersucht, die Überlebenden transportierte man nach etwa zwei Monaten in andere Lager.
20. April 1944
Beförderung zum SS-Sturmbannführer
25. September 1944
Hirts Ehefrau und Sohn kommen während eines Bombenangriffs auf Straßburg ums Leben.
November 1944
Hirt flieht mit seiner Tochter nach Tübingen, wo er sich bis zur Besetzung Württembergs durch die Alliierten aufhielt, dann tauchte er bei Bauern im Schwarzwald unter.
02. Juni 1945 (Schönenbach)
Hirt erschießt sich nahe dem Schwarzwalddörfchen Schönenbach, wo er Ende April 1945 untergetaucht war, mit einem Pistolenschuss in den Kopf selbst
und wurde auf dem Friedhof in Grafenhausen beerdigt.
Nachtrag
W.Niebling
Nicht weit entfernt von meinem Wohnort, in Schönenbach am Schluchsee wurde wenige Wochen nach Kriegsende der damals 47-jährige Arzt August Hirt in einem Waldstück tot aufgefunden. Er hatte sich mit einer Pistole in den Kopf geschossen. In den Wirren der letzten Kriegsmonate war er, aus Tübingen kommend auf einem Bauernhof untergetaucht. Die Besitzer fühlten sich ihm verpflichtet, hatte er doch kurz zuvor deren Tochter mit einer Notoperation vor dem vermeintlich sicheren Erstickungstod bewahrt. Wenige Tage später fand auf dem benachbarten Friedhof von Grafenhausen das Begräbnis statt. Der Grabstein auf der Parzelle 27 ist längst abgeräumt und damit der Mantel des Vergessens über diesen Vorgang gebreitet.
Kreuz am Dreimärklerwegin Schönenbach. Besser bekannt unter „Bulgenbach Kreuz“.
Dort stand zu lesen:
„Eines Morgens aber hörten Hirtenjungen einen Schuß aus dem
Wald. Unweit des kleinen Kreuzes hatte sich der SS-Mann selber
gerichtet. Ist durch diesen Vorfall das kleine Kreuz doch noch zum
Sühnekreuz geworden?“ Bei dem „Arzt von auswärts“ handelte es sich um SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. August Hirt, geb. am 29. April 1898 in Mannheim.
Bis Ende der 1950er Jahre wird In der Schweiz nach Hirt gefahndet
23. Dezember 1953
ein französisches Militärgericht in Metz verurteilt Hirt in Abwesenheit zum Tode
Nachtrag
Von der SS wurde es Hirt ermöglicht, nicht nur mit Versuchstieren, sondern mit Menschen zu arbeiten. So schrieb SS-Obersturmbannführer Brandt (Persönlicher Stab) an Sievers:
"Die Schwierigkeiten hinsichtlich der Tierversuche können in dem Augenblick als
behoben gelten, in dem Hirt sich entschließt, diese Versuche in dem nächstliegenden Konzentrationslager Natzweiler durchzuführen. Ich werde an Glücks entsprechend schreiben, daß dem SS-Hauptsturmführer Hirt für seine Versuche sowohl an Häftlingen als auch an Tieren weitestgehende Unterstützung zu gewähren ist."
Die Möglichkeit, Lostversuche an Menschen durchführen zu können, wurde von Hirt sehr begrüßt. Sievers schrieb, es sei mit Hirt vereinbart worden, daß dieser
"einen Arbeitsplan aufstellt, nach dem die Versuche im KZ Dachau vom ersten Lagerarzt, SS-Hauptsturmführer Dr. Walter, eingeleitet werden können. (Es sind verschiedene Typen auszuwählen, die zunächst mit Vitamin A gefüttert werden, dann erfolgt Lostbehandlung.)"
Um den verbrecherischen Charakter der Forschungen Hirts auf dem Gebiet der Anatomie zu charakterisieren, genügt ein Zitat aus einem Brief, den Sievers an ihnschrieb:
"Ich habe mit Kamerad Beger in München kurz die Frage der Zusammenstellung einer anthropologischen Sammlung Fremdrassiger besprochen. In diesen Tagen werde ich die Durchführung dieser Erfassung mit SS-Brigadeführer Glücks bereden."
Was mit den daraufhin ausgewählten Häftlingen geschah, ist in der Urteilsschrift des Nürnberger Militärgerichtshofes von 1947 festgehalten:
"112 Juden wurden ausgewählt, um eine Skelettsammlung für die Reichsuniversität Straßburg zu vervollständigen. Sie wurden fotografiert und ihre anthropologischen Maße wurden genommen. Dann wurden sie getötet. Danach wurden Vergleichsversuche, anatomische Untersuchungen und Studien betr. die Rassenzugehörigkeit, die pathologischen Charakteristika des Körpers, über Gestalt und Größe des Gehirnes und andere Versuche durchgeführt. Die Leichen wurden nach Straßburg geschickt und entfleischt."
Skelettsammlung Fremdrassiger
Auftraggeber war Prof. August Hirt, SS-Hauptsturmführer und Leiter der Anatomie an der Reichsuniversität Straßburg.
Unter der Schirmherrschaft der Stiftung Ahnenerbe legte August Hirt ab 1943 eine „Schädel- und Skelettsammlung“ an. Von Heinrich Himmler dazu ermächtigt, ließ er im Konzentrationslager Auschwitz von seinem Mitarbeiter, SS-Hauptsturmführer Bruno Beger, 115 Häftlinge aussuchen. Die Opfer wurden anthropometrisch vermessen und ihre persönlichen Daten festgehalten.
Betr.:Sicherstellung der Schädel von jüdisch-bolschewistischen Kommissaren zu wissenschaftlichen Forschungen in der Reichsuniversität Straßburg.
”Nahezu von allen Rassen und Völkern sind umfangreiche Schädelsammlungen vorhanden. Nur von den Juden stehen der Wissenschaft so wenig Schädel zur Verfügung, dass ihre Bearbeitung keine gesicherten Ergebnisse zulässt. Der Krieg im Osten bietet uns jetzt Gelegenheit, diesem Mangel abzuhelfen. In den jüdisch-bolschewistischen Kommissaren, die ein widerliches, aber charakteristisches Untermenschentum verkörpern, haben wir die Möglichkeit, ein greifbares wissenschaftliches Dokument zu erwerben, indem wir ihre Schädel sichern.
Die praktische Durchführung der reibungslosen Beschaffung und Sicherstellung dieses Schädelmaterials geschieht am zweckmäßigsten in Form einer Anweisung an die Wehrmacht, sämtliche jüdisch-bolschewistischen Kommissare in Zukunft lebend sofort der Feldpolizei zu übergeben. Die Feldpolizei wiederum erhält Anweisung, einer bestimmten Stelle laufend den Bestand und Aufenthaltsort dieser gefangenen Juden zu melden und sie bis zum Eintreffen eines besonderen Beauftragten wohl zu behüten. Der zur Sicherstellung des Materials Beauftragte (...) hat eine vorher festgelegte Reihe photographischer Aufnahmen und anthropologischer Messungen zu machen' und, soweit möglich, Herkunft, Geburtsdaten und andere Personalangaben festzustellen. Nach dem danach herbeigeführten Tode des Juden, dessen Kopf nicht verletzt werden darf, trennt er den Kopf vom Rumpf und sendet ihn, in eine Konservierungsflüssigkeit gebettet, in eigens zu diesem Zwecke geschaffenen und gut verschließbaren Blechbehältern zum Bestimmungsort. An Hand der Lichtbildaufnahmen, der Maße und sonstigen Angaben des Kopfes und schließlich des Schädels können dort nun die vergleichenden anatomischen Forschungen über Rassenzugehörigkeit, über pathologische Erscheinung der Schädelform, über Gehirnform und -größe und über vieles andere mehr beginnen.
Für die Aufbewahrung und Erforschung des so gewonnenen Schädelmaterials wäre die neue Reichsuniversität Straßburg ihrer Bestimmung und ihrer Aufgabe gemäß die geeignete Stätte.”
Die Häftlinge wurden in das KZ Natzweiler-Struthof (Elsass) deportiert und dort im August 1943 in der Gaskammer ermordet. Danach wurden sie in das Anatomische Institut nach Straßburg gebracht. Institutsmitarbeiter konservierten die Leichen der 86 Opfer: 29 Frauen und 57 Männer. Ein Mitarbeiter wurde misstrauisch und notierte die tätowierten KZ-Nummern aller Leichen.
Im Oktober 1944, kurz vor dem Einmarsch der Alliierten, befahl Hirt die Zerstückelung und Verbrennung aller „Präparate“, die bereits mehr als ein Jahr unberührt in mehreren Behältern im Anatomie-Keller lagen. Die Vertuschungsaktion gelang nicht vollständig. 16 unversehrte Leichen und 225 Leichenteile blieben erhalten. Diese konnten bei der Autopsie durch französische Rechtsmediziner wieder zugeordnet werden. Dabei wurden auch vorherige Misshandlungen und unmenschliche medizinische Versuche an den Häftlingen aufgedeckt.
Aussage SS-Hauptsturmführer Kramer Joseph
Er erklärte mir genau, daß diese Personen in der Gaskammer in Struthof getötet werden sollten, mit Hilfe von Erstickungsgas, und daß ihre Leichen dem Anatomischen Institut in Straßburg überführt werden sollen. Nach der Unterhaltung übergab er mir eine Flasche. Sie hatte den Inhalt eines viertel Liters und enthielt Salz, ich glaube, es handelte sich um Zyanhydrisches Salz. Der Professor gab mir die ungefähre Menge an, die ich verwenden sollte.
Ahnenerbe-Chef Sievers Eintrag Tagebuch vom 21.10.1944
Mitteilung, daß Sammlung gänzlich aufgelöst.
Als am 23.11. 1944 die US-Army Straßburg befreit, lagern noch 16 vollständig erhaltene Leichen im Keller, außerdem schwimmen noch zerstückelte Körperteile in den Wannen. Hirt hatte seine Vorgesetzten belogen, weil er einen Teil des zusammengemordeten »Materials« retten wollte.