06. April 1945

Am Abend des 6. April 1945 traf ein Funkspruch zur weitestgehendsten Evakuierung des Stammlagers ein. Lagerkommandant Pister antwortete darauf der Amtsgruppe D beim SS­WVHA: „RF ­ SS hat über Kds Weimar befohlen, Lagerstärke durch Abtransport weitgehendst zu vermindern in Richtung Flo ­/­. Beginn mit Eisenbahntransport und Treck morgen früh 7.4.45. Werde täglich Zahl der Abtransporte melden. Wie viel sollen abgestellt werden? Derzeitige Lagerstärke 48000." Als erste gingen am 7. April 3105 jüdische Häftlinge „auf Transport". Als besondere Schikane erfolgte der Treck zu Fuß. Ziel der Henkersknechte war, die Häftlinge so weit wie möglich von der Front wegzubringen und sie durch den Marsch zu vernichten. Das geschah überwiegend durch Genickschuss und durch Hunger. Nach Angaben des Internationalen Lagerkomitees wurden auf der kurzen Strecke vom Stammlager bis Weimar 40 Häftlinge ermordet und noch am gleichen Abend in das Buchenwalder Krematorium zurückgebracht. Über das Marschziel hatten die SS­Mörder oft selbst keine volle Klarheit. Es wurde zuerst das KZ Flossenbürg angegeben, aber wegen des Vorrückens amerikanischer Verbände musste die Kolonne nach Dachau umgeleitet werden.

Dachau

Dieser Transport ist unter der Bezeichnung Todeszug von Buchenwald und auch „Evakuierungszug aus Buchenwald“ bekannt.

am 07.04.1945 beauftragte der Lagerkommandant des KL Buchenwald SS-Oberführer Pister Hermann (Franz Josef) den SS-Obersturmführer
Merbach Hans (Erich) 4 480 Häftlinge verschiedener Nationalitäten von Buchenwald nach Flossenbürg (Dachau) zu bringen

Der Zug hatte etwa 39 bis 45 Güterwaggons, die teilweise überdacht waren. In jedem Waggon waren 90 bis 100 Häftlinge, und einige SS-Wachen.

Der Eisenbahntransport führte über die Bahnhöfe

Samstag, 7. April 1945

Abmarsch aus Buchenwald
Abfahrt Weimar 20 Uhr
Bad Sulza
Bad Kösen
Naumburg
Weißenfels

Bericht Louis Poncet
erhaltene Verpflegung 800 g Brot

Sonntag, 8. April 1945

Luckenau, Ankunft 6 Uhr

Es ist kalt; dichter Nebel; nun ist es von Nachteil, in einem Waggon ohne Dach zu sein.

Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 15 kleine kalte Karroffeln, 190 g Brot, 50 g Wurst

Bericht Pater Éloi Leclerc Waggon der Franziskaner
erhaltene Verpflegung 2-kg-Brot für 6 Personen (333 g pro Person) und einige kalte Kartoffeln

Bericht Frangois Caes
erhaltene Verpflegung 1 Brot und ein Stück Wurst

Montag, 9.April 1945

Luckenau, Abfahrt frühmorgens
Zeitz
Meuselwitz
Pegau
Zwenkau
Leipzig
Wurzen
Oschatz
Riesa
Meißen
Dresden. Ankunft gegen 12 Uhr 30

Bericht Pater Éloi Leclerc Waggon der Franziskaner
erhaltene Verpflegung 2-kg-Brot für 10 Personen (200 g pro Person) und ein Stück Käse


Bericht Éloi Leclerc
Herausschaffen der Leichen, die zum Leichenwaggon gebracht werden

Bericht Pierre Vourron
In der Nacht werden drei Gefangene von Ukrainern erstickt

Dienstag, l0. April 1945

Heidenau
Pirna
Teschen (Dööin)
Aussig (Üsti nad Labem)
Teplitz-Schönau (Teplice)
Brüx (Most)
Komotau (Chomutov)
Saaz (Zatec)
Rudic (Vroutek)
Plass (Plasy)

Mittwoch, 11.April 1945

Pilsen (Plzei)
Nürschan (Nyiiany)

Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 250 g Brot und 20 g Margarine


Bericht Pater Éloi Leclerc Waggon der Franziskaner
erhaltene Verpflegung 2-kg-Brot für 10 Personen

Donnerstag, 12.April 1945

Nürschan

Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 230 g Brot und 20 g Margarine


Tod von Philippe-Maurice Bouchard, ermordet von einem Wächter

Freitag, 13. April 1945

Nürschan, Abfahrt gegen 13 Uhr 45
Staab (Stod), Ankunft 14 Uhr (nach nur 15 min Fahrzeit)


Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 250 g Brot und 40 g Käse


Nacht vom 13. auf den 14. April
Flucht von 22 Häftlingen dank der Unterstützung eines Wächters, der umgehend im selben Waggon erschossen wird. Die Flüchtenden werden wieder eingefangen und erhängt. Die Wachleute der offenen Waggons werden angewiesen, den Häftlingen zu befehlen aufzustehen, um sich dieses Massaker anzusehen

Samstag, 14. April 1945

Staab

Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 200 g Brot und 40 g Käse


Bericht Éloi Leclerc
Um 9 Uhr morgens schießt ein höherer SS-Angehöriger in unserem Waggon wahllos in die Menge, 2 Kameraden werden verletzt; der am Bein Verwundete ringt ohne ärztliche Hilfe mit dem Tod und stirbt.

Sonntag, 15. April 1945

Staab

Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 200 g Brot und 40 g Käse


lm Waggon 46 schießt ein SS-Wachmann in unsere Richtung, um die Ordnung wiederherzustellen. Marius Ouillé (Buchenwald 139.863) bekommt eine Kugel in die Nieren

Montag, 16. April 1945

Abfahrt Staab 9 Uhr 30
Stankau (Staäkov)
Blisova (BliZejov), Ankunft 16 Uhr 30


Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 100 g Brot


Bericht Éloi Leclerc
Wir fahren durch das tschechoslowakische Tiefland, durch eine friedliche, frühlingsgrüne, hügelige Landschaft; voller Liebe sehen wir die kleinen Kirchen; Lerchen singen über den Feldern, Stille, blauer Himmel, Leute bei der Kartoffelaussaat, Hasen und Rebhühner überall"; dann wird die Idylle brutal unterbrochen: ,,In einem Bahnhof eine schreckliche Szene: Ein Häftling aus unserem Waggon wird von einem SS-Mann fast zu Tode getreten, weil er einen draußen stehenden Reisenden um Wasser gebeten hatte

Dienstag, 17. April 1945

Blisova, Abfahrt 4 Uhr
Taus (DomaZlice)
Neugedein (Kdynö), Ankunft 12 Uhr,
Abfahrt 23 Uhr
Putzeried (Pocinovice)
Janowitz (Janovice nad Ühlava)


Prosper-Louis Borgogno (Buchenwald 52.251) flieht in der Umgebung von Kdyne; die Flucht gelingt ihm

Mittwoch, 18. April 1945

Grün (Zelenä Lhota), Ankunft 7 Uhr)
Spitzberg
Bayerisch-Eisenstein
Zwiesel
Regen
Triefenried
Deggendorf

Donnerstag, 19.April 1945

Nammering (Aicha vorm Wald), Ankunft 16 Uhr

Am 19. April 1945 erreichte der aus 54 Güterwaggons bestehende Gefangenentransport unter dem Befehl von SS-Obersturmführer Hans Merbach nach zwölftägiger Fahrt den Bahnhof Nammering. Da kurz zuvor auf der Strecke ein Wehrmachts-Transport entgleist war (eine gepanzerte Lokomotive war die Böschung hinuntergestürzt und hatte dabei das Gleis beschädigt), konnte der Transport mehrere Tage lang nicht weiterfahren.

Bericht des Pfarrers Johann Bergmann

Freitag, 20. April 1945

Nammering

Am 20. April hatte der Zug einen Aufenthalt in Nammering bei Passau, Johann Bergmann, der Geistliche von Aicha vorm Wald, ging morgens zum Halteplatz.


Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 4 warme Kartoffeln und 0,5 l Suppe aus getrocknetem Kohl

Samstag, 21. April 1945

Nammering

Sonntag, 22. April 1945

Nammering

Hier erhielten die Häftlinge am 22. April Verpflegung. Bergmann hatte eine Lebensmittelsammlung initiiert. SS-Obersturmführer Merbach hatte diesen Aufenthalt bei seiner Zeugenaussage nicht erwähnt. Bei dem Stopp in Nammering wurden fast 800 auf dem Transport verstorbene Häftlinge eingeäschert und beigesetzt. In einem nahegelegenen Steinbruch wurden etwa 250 tote Häftlinge aus dem Transport auf Bahnschienen verbrannt. Am Transport der Leichen zur Verbrennungsstelle waren auch Einheimische beteiligt. Pfarrer Bergmann fragte, warum die Häftlinge erschossen worden seien, der Transportleiter gab zur Antwort, dass sie vor Hunger wahnsinnig geworden wären und SS-Wachen angefallen hätten und sich auch gegen Zivilbevölkerung hätten wenden können. Bergmann berichtete, der Zug habe Nammering mit etwa 3 100 Häftlingen verlassen.

Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 0,5 I Suppe aus getrocknetem Kohl

Montag, 23. April 1945

Nammering

Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 150 g Brot

Dienstag, 24. April 1945

Nammering; hier wird der Zug geteilt,
Abfahrt des ersten Teilzuges 12 Uhr, Abfahrt des zweiten Teilzuges 18 Uhr
Tittling
Kalteneck


Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 4 kalte Kartoffeln


Bericht Frangois Caes
erhaltene Verpflegung 1 Suppe

Mittwoch, 25. April 1945

Passau, Ankunft 2 Uhr, Abfahrt kurz nach 2 Uhr
Fürstenzell
Pocking, Ankunft 23 Uhr


Bericht Frangois Caes
erhaltene Verpflegung einige Kartoffeln und Kohl

Donnerstag, 26. April 1945

Pocking, Abfahrt 7 Uhr
Mühldorf am Inn
Dorfen
München (Verschiebebahnhof)


Bericht François Bertrand Waggon 46
erhaltene Verpflegung 1 Päckchen ,,Wehrmachtssuppe" und ein Päckchen getrocknete Kohlsuppe


Bericht Pater Éloi Leclerc Waggon der Franziskaner
erhaltene Verpflegung 2-kg-Brot für 10 Personen

Freitag, 27/28. April 1945

Umgebung von München, Abfahrt 22 Uhr

Am 27. April mittags und 28. April um 1 Uhr nachts kommt der Todes-zug in zwei Teilen in Dachau an. Ein Zug von Sterbenden und Toten. Es wurden 2 310 Tote und 816 Überlebende gezählt
Laut einem unveröffentlichtem Manuskript von Pierre C. T. Verheye wurden am 28. April vermutlich etwa 800 Häftlinge ins Lager gebracht. Ausgehend von der Aussage Bergmanns, dass der Zug in Nammering mit 3 100 Personen abgefahren sei, würde sich durch die Angabe von Verheye auf 2 300 im Zug gelassenen Personen schließen lassen.

2385 Überlebende aus diesem Transport wurden in Dachau registriert. Die Zahl der Toten ist jedoch nicht mehr genau feststellbar, da nicht alle Zugteile Dachau erreichten.